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Futures und "cost of carry": die Nettofinanzierungskosten
Unter "cost
of carry" C (Haltekosten,
"carrying
cost", "carrying charges")
versteht man die veranschlagte Summe der zahlungswirksamen
Nettofinanzierungskosten, die
aus Anlass eines physischen Vorhaltens eines bezeichneten (lagerfähigen)
Wirtschaftsgutes durch eine bestimmte Frist hindurch bis zu einem ins
Auge gefassten Zeitpunkt seiner planmäßigen Verwendung am Bestimmungsort
auf Rechnung kommt. Die so verstandenen Haltekosten "cost of carry"
lassen sich in einem Gedankenkalkül leicht derjenigen Summe vergleichend
gegenüberstellen, die der Erwerb eines gattungsgleichen Gutes mittels
eines Terminkontrakts von übereinstimmender Fristigkeit einstweilen
überschüssig ließe. Diese Denkungsart richtig angewendet schlägt förmlich
die Brücken geradewegs hinüber zu einer klaren und schlüssigen Vorstellung
von einem auch im theoretischen Sinne allseits "fairen und akkuraten"
Wertansatz eines zu bewertenden Futures.
Jene Nettofinanzierungskosten,
die im Zusammenhang mit der durch den tatsächlichen physischen Besitz
des in Rede stehenden Marktgegenstandes eines Futures bis zum Anfangszeitpunkt
der diesem zugedachten Nutzungsperiode notwendig gewordenen Aufbewahrung
auflaufen, können als Größensaldo in der Gesamtheit dem Prinzip nach
in ihrem Zifferansatz positiv, negativ, oder – allenfalls zufällig –
auch gleich null sein. Es sei dies im Folgenden des Genaueren erläutert:
Ungleich dem Fall eines Direkterwerbs
eines marktgängigen Gutes, das seiner Bestimmung gemäß zur späteren
Nutzung der Zukunft vorbehalten werden soll und für dessen Bewahrung
darum solange gesorgt werden muss, bedarf es im Falle eines Terminkaufs
desselben mittels eines laufzeitäquivalenten Futures-Kontrakts (Long)
des Anschlags zahlungswirksamer Nettofinanzierungskosten, die mit einer
zwischenzeitlichen Aufbewahrung des Gutes in Zusammenhang stehen, nicht*;
ihre Erbringung ist nicht nötig, weil solcherlei zahlungswirksame Kosten
beim Terminkauf durchweg ausbleiben. Der letzterwähnte Vorgang legt
dem Terminkäufer während der Kontraktlaufdauer also überhaupt weder
Extrakosten für die Aufspeicherung des zugrunde liegenden Spot- bzw.
Kassamarktgegenstandes (Basisinstrument, "underlying asset")
auf noch wachsen ihm angesichts eines erst zukünftig infrage kommenden
Besitzes des bezüglichen Güterquantums unterdessen irgendwelche Erträgnisse
daraus zu.
[* Auswirkungen
von Einschüssen, von Transaktionskosten oder des "marking
to market" auf damit verbundene Refinanzierungskosten mögen, wie
bereits erwähnt, zur Vermeidung unnötiger Verwicklungen hier fürs Erste
noch außer Rechnung bleiben.]
Ganz anschaulich gesprochen: Wer heute
auf dem Markt zur vorsorglichen Deckung eines künftigen Unterhaltsbedarfs
ein Gut auf sofortige Lieferung erwirbt, hat dessen Kaufpreis zu finanzieren
und ihn i. d. R. auch sogleich
auszulegen.* Allein mit den Kosten für die Finanzierung der Barschaft
zur Verschaffung desselben ist es längst nicht getan. Bis zum Zeitpunkt
seiner Nutzanwendung sind gewöhnlich noch mancherlei Bestandhaltungs-
und vielleicht auch Bringungskosten zu tragen. Wird dagegen ein Gut
über einen Futures-Kontrakt zur späteren Lieferung beschafft, so kommt
es nicht, wie beim Bargeschäft, zu einem Soforterwerb, und damit auch
nicht zu einem Austausch von Leistung und Gegenleistung Zug-um-Zug ("Ware
gegen Geld", Barkauf), sondern zwischen Vertragsabschluss und Erfüllung
fallen gemeinhin mehrere Tage, manchmal Wochen oder Monate. Infolge
davon kommt eine durch auflaufende Bestandhaltungs- und Refinanzierungskosten
bedingte Kapitalbindung** während dieser Zeitspanne, d.i.
vom Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (des Positionsaufbaus) bis zur
endlichen Erfüllung durch Realbeschaffung und Beginn der künftigen Nutzungsperiode
des Gutes, bei Termingeschäften gänzlich in Wegfall.
[* Hinweis: Der
Einkaufspreis (Anschaffungswert) des fraglichen Sachgegenstandes selbst
nimmt niemals Anteil an den Haltekosten "cost of carry" als solche.
Sie umschließen diesen nicht, er bleibt ganz außer Anschlag. – Anmerkung:
Aufgrund technisch-organisatorischer Umstände kann die Erfüllungsfrist
eines Effektivgeschäfts in Einzelfällen durchaus einige wenige Tage
in Anspruch nehmen; Börsenkassageschäfte dagegen waren nach bisherigen
Gewohnheiten (Usancen), oder – wenngleich heutzutage ein Grund selteneren
Vorkommens – auch aus abwicklungstechnischen Gründen, i.d.R.
nach zwei bis drei Bank-Geschäftstagen (wie es unter Banken in Deutschland
und vielen anderen Ländern verbreitet ist: "Valuta 2 Tage", T+2,
T+3 usw.) wahrhaftig zu erfüllen. Diese Frist hat sich seit dem 28.
Mai 2024 in den westlichen Ländern auf einen Geschäftstag vermindert,
es gilt seitdem T+1.]
[** Von
Margenzahlungen für die Einleitung
von Futures-Geschäften (welche sachlich von einem Kaufpreis oder gar
von einer Optionsprämie streng zu scheiden sind und die sich im Übrigen
bei angemessener Verzinsung vollkommen kostenneutral verhalten) sei
um der Anschaulichkeit willen hier wieder abgesehen; sie würden am Prinzip
ohnedies nichts ändern. Draußen gelassen bleiben überdies Auswirkungen
eines zusätzlichen Handlungsspielraums während der Laufzeit des Futures,
der im Falle eines Direkterwerbs unmittelbar aus der tatsächlichen Vorrätigkeit,
d.h. aus der vollen physischen
Verfügungsgewalt über das fragliche Gut gewonnen wird (vgl. hiezu den
Hauptabschnitt über "convenience
yield"). Außer Betracht gelassen seien fernerhin bestehende Ermessenspielräume
aufseiten des Verkäufers (Short) bei Vollzug der Lieferung, die ihm
im Hinblick auf bestimmte inhaltliche Qualitätsmerkmale eines nur der
Gattung nach bestimmten Marktgegenstandes regelgemäß offenstehen ("delivery
options").]
Halten wir Folgendes als ein erstes wichtiges
Ergebnis fest, welches aus einer Gegenüberstellung der beiden offenstehenden
Wahlmöglichkeiten bei der Güterbeschaffung gezogen werden kann: Verglichen
mit der in Bezug auf die zu erstrebende Zielvorstellung, zu einem gesetzten
künftigen Bedarfstag über ein ganz bestimmtes Beschaffungsobjekt wahrhaftig
verfügen zu können alternativen Aufstellung auf dem Kassa- bzw. Spotmarkt,
werden im Falle eines Gütererwerbs unter den Bedingungen des
Standardvertrags eines Futures-Kontrakts Ausgaben von Geldmitteln
für die Finanzierung und Bewahrung vorläufig positiv eingespart.
Es erhebt sich sodann die Frage, an welchen
Größen im Einzelnen nehmen die Haltekosten "cost of carry" ihr Maß?
– Um gleichzeitig auch auf die sich daran schließende Frage nach der
der Verursachung gerecht werdenden Zurechnung von Haltekosten eine bündige
Antwort zu geben, scheint es berechtigt zu sein, die Haltekosten zunächst
in alle überhaupt mögliche Kostenbestandteile aufzuschlüsseln. Zu den
bis zum Zeitpunkt des beabsichtigten Gebrauchs anwachsenden Haltekosten
eines (lagerfähigen) Gutes zählen vornehmlich und namentlich alle wirtschaftlichen
Opfer, die seine Erlangung und sein unmittelbarer körperlicher Besitz
auferlegen, angeschlagen nach ihrem Geldeswert. Namhaft zu machen sind
hier vor allem Finanzierungskosten ("financing costs") und, je
nach körperhafter Beschaffenheit des infrage stehenden Gutes, darüber
hinaus Depot-, Lager- und ggf. Viehhaltungskosten, sämtliche Kosten
der Konservierung ("storage costs", "warehouse costs"
usw.), unter Umständen auch der Aufwand für Schwund sowie gewisse Wartungs-,
Versicherungs- und Verwaltungskosten als endlich noch Transportkosten
("hauling costs") für die Zubringung zum Ort der Erfüllung –
indes, davon ab etwaige Erträge ("carry return"), die bis zur
Terminfälligkeit aus der tatsächlichen oder rechtlichen Verfügungsmacht
an dem betreffenden Gut hervorgehen, wie z.B.
Dividenden- und Zinseinkommen bei Wertpapieren, Erträgnisse der
Wertpapierleihe, eingestrichene
Gebühren usf. Aber genau in diesem Unterschied zwischen den effektiven
Kosten (Opportunitätskosten, reine Kapitalkosten), welche die physische
Aufspeicherung des betreffenden Vermögenswertes in der Summe verursacht,
und allen derweil zufließenden Erträgen erschöpft sich der Begriff der
Haltekosten (= Nettofinanzierungskosten), für den sich
in der englischen Sonderfachsprache der Name "cost
of carry" fest eingelebt hat.*
[* Anmerkung: In
gewisser Weise lassen sich die "cost of carry" als Saldo derjenigen
Kosten und Erträgnisse auffassen, die für den "Transport" eines Gutes
durch Raum und Zeit in Anschlag zu bringen sind; zumal, wenn man in
einer gedanklichen Anbindung an die "Beförderung" von einer Zeit in
die andere die "cost of carry" in Vergleich zieht mit den effektiven
Transportspesen einer physischen Überführung von einem Ort zum anderen
(Distribution), die im Rahmen einer räumlichen Arbitrage anfielen.]
In Parallele gestellt zur Wahlmöglichkeit
des Soforterwerbs von Gütern (Wertpapiere, lagerfähige Investitionsgüter
usw.) in Verbindung mit einer hieran schließenden dinglichen Aufbewahrung
derselben hat der Terminkäufer nach dem Vorausgeschickten bei der Effektivbeschaffung
von Gütern durch einen Futures-Kontrakt während dessen Laufzeit weder
reine Finanzierungskosten (= Abflüsse an Geld) zu tragen (also insbesondere
weder Kosten der Aufspeicherung noch Zinsaufwand für das gebundene Kapital)
noch kann er aus Mangel an einer tatsächlichen oder rechtlichen Verfügungsmacht
über wirkliche Güter derweil irgendwelche Anwartschaften auf Erträge
(= Zuflüsse an Geld) für sich geltend machen. Um nun für wahrhaft
gleichwertige Handlungsalternativen, die zur Beschaffung von Gütern
infrage stehen, auch die im Fälligkeitszeitpunkt notwendigerweise gleichen
Preise dafür sicherzustellen ("Law
of One Price"), bedingt das bisher Gesagte wiederum, dass der
Terminkurs (der Börsenpreis des
Futures) sich um die über den Futures-Kauf eingesparten (und, wie
üblich, auf eine Einheit des Grundpostens umgerechneten) Haltekosten
(Nettofinanzierungskosten) höher stellen muss.
Der oben geschilderte ökonomische Sachzusammenhang
lässt sich unter den vorausgesetzten Verhältnissen dem letzten Grunde
nach ganz entschieden auf die Bereitschaft der Käufer von Futures (Long)
zurückführen, dank den bis zur Terminfälligkeit eingesparten Kosten
bis zum Belauf jener Haltekosten hinauf auch höhere Terminpreise für
den Futures zu billigen als der Preis für einen Direkterwerb im Spotmarkt
jenes Gutes ihnen abheischt. Der Aufpreis eines Futures zum Barpreis
wird sich damit aber – ceteris paribus – umso höher emporheben,
je schwerer die tatsächlich aufzuwendenden Finanzierungskosten eines
Effektivgeschäfts geldlich ins Gewicht fallen.
Um diesen Hauptgedanken von vornherein
gegen eine irrtümliche Auffassung zu versichern, ist er durch den vorbehaltlichen
Beisatz insoweit einzuschränken, als der effektive Kostenanteil der
Haltekosten "cost of carry" (d.i.
der Zahlungsmittelabstrom = positive "cost of carry", "pure
carry") den effektiven Ertragsanteil derselben (Zahlungsmittelzustrom
= negative "cost of carry", "carry return") in ihrem Belauf
auch tatsächlich übersteigt, was etwa für den Besitz von Anteilsscheinen
(z.B. Aktien), Edelmetall als
auch für den alltäglichen Wirtschaftsverkehr in Handelswaren ("commodities")
durchaus den Regelfall darstellt. Sind indessen die aus einem
Aktivum kassierten Summen* höher anzuschlagen als die reinen Kosten
für dessen Aufbewahrung, so folgt unter den gesetzten Annahmen umgekehrt
zwingend, dass sich der Terminkurs des betreffenden Gutes
unter seinem Cash-Kurs wird
festsetzen müssen. Zugleich wird jeder zusätzliche Mittelzufluss
aus der mittlerweiligen Verfügungsmacht an einem ertragbringenden Vermögenswert
(unter übrigens gleichen Nebenumständen) den Terminpreis in Relation
zu seinem Cash-Kurs weiter mindern. Ein exaktes Zusammenstimmen von
Spotmarktpreis des Basisgegenstandes eines Futures und seinem Terminpreis
eines Betrachtungszeitpunktes vor dessen Fälligkeit hingegen könnte
sich allenfalls dann einspielen, wenn die oben benannten effektiven
Finanzierungskosten in ihrer Höhe mit den effektiven Mittelzuflüssen
aus dem nämlichen Basisgegenstand im gleichen Zeitmoment größengleich
nebeneinanderstünden (= "Pari-Notierung").
[* In Rede stehen
hier sämtliche Geldzuflüsse, die aus dem Besitz von Investitionsgütern
und Finanzinvestitionen gezogen werden können, bei Aktien beispielshalber
in Form von Dividendenzahlungen, bei Edelmetallen in Gestalt von empfangenen
Gebühren aus Verleihgeschäften ("leasing rate") usw. Über die
sich aus der Frage der Hinzurechnung des Nutzens von Produktiv- und
Genussgütern (Commodities), den die Vorteilsgelegenheiten verschaffen,
worin der betreffende Beschaffungsgegenstand Verwendung findet, ergebenden
Schwierigkeiten vgl. den Abschnitt über die Verfügbarkeitsrendite, "convenience
yield".]
Für eine beständige Aufrechterhaltung
der wechselseitigen Gestaltung der Preise zwischen den beiden Marktsegmenten
Terminmarkt und Effektivmarkt in einem ökonomisch sinnvollen Verhältnis*
sorgen, ganz dem großen Gesetz der Unterschiedslosigkeit der Preise
gehorchend, besondere Marktabläufe, deren Regulativ der private Gewinn
ist: Arbitrageprozesse. Erst die Anwesenheit einer stattlichen Zahl
von Handelspersonen mitsamt den erforderlichen technischen Handelseinrichtungen,
welche allzeit bereitstehen, zur Durchführung gewinnträchtiger
Arbitragen in das
Marktgeschehen wirkend einzugreifen (deren Kreis sich i.
d. R. aus professionellen Händlern von Banken, Versicherungen
und anderen Kapitalsammelstellen, von
Hedge-Fonds usw.,
ferner aus dem des Programmhandels mittels "algorithmic trading" zusammensetzt,
welche die fortlaufenden Kurse in Echtzeit aufmerksam verfolgen, sammeln
und auszuwerten verstehen), bereitet erst den Boden für die Verwirklichung
der (prätendierten) empirischen Tendenz zu einem arbitrage-freien Gleichgewicht
zwischen Spot- und Terminmarkt. Das Vorkommnis der Arbitrage verkörpert
darum die Gestaltungskraft schlechtweg, welche nach jeder Seite ein
zugehöriges Gleichgewicht in und zwischen den Märkten einbürgern lässt.
[* D.
h. sinnvoll praktisch in der annäherungsweisen Geltung, die der
Regel der Unterschiedslosigkeit der Preise (Law of One Price)
überhaupt eigentümlich ist.]
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Der allgemeine
"cost of carry"-Ansatz zur Preisbildung von Terminkontrakten
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