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Offenes Interesse
("open interest") und Umsatz ("volume")
Der Begriff "Offenes
Interesse" ("open interest", O.I.)
bezeichnet die Zahl aller zu einem gegebenen Zeitpunkt ausstehenden
(offenen) Terminkontraktgeschäfte eines Marktes zusammengenommen, d.i.
die Gesamtzahl der am bezüglichen Markt bislang noch nicht durch ein
Gegengeschäft glattgestellten
bzw. noch nicht durch
physische Lieferung
des zugrunde liegenden Marktgegenstands oder durch
Barausgleich erfüllten Terminkontraktgeschäfte
("contracts outstanding").* Es sei dies durch ein Beispiel
näher erläutert:
[* Diese Sprachregelung
gilt im Übrigen sinngleich und ungeschmälert für
Optionskontraktgeschäfte
gleichermaßen].
Im
DAX®-Futures-Markt
wird nach Ablauf des voraufgehenden Kontraktmonats planmäßig ein neuer
Kontraktmonat gelistet: der März-Dax®-Futures. Es kommt der
erste Umsatz im Markt des neuen DAX®-Kontraktmonats
zustande: Händler B kauft einen März-Dax®-Futures
von Händler S, der mit diesem Futures-Geschäft den Dax®
auf Termin per März verkauft. Kauf und Verkauf zusammengenommen bilden
hiernach ein offenes
Terminkontraktgeschäft*, das ist
ein neu begründeter Futures-Kontrakt
für sich – und erhöhen folglich das "open interest" im hier betrachteten
Futuresmarkt von 0 auf 1.
[* Anmerkung:
Unter rechtlichem Blickwinkel zersplittert sich jedes abgeschlossene
Terminkontraktgeschäft in zwei gesonderte Verträge: der eine zwischen
Clearinghaus
und Terminkäufer, und der andere zwischen Clearinghaus und Terminverkäufer.
Bei der Berechnung des "open interest" bleiben dieserart einzelkontraktliche
Verpflichtungen gegenüber dem Clearinghaus jedoch stets ausgeklammert.]
Daraus lässt sich folgern: Wer einen Terminkontrakt
kauft ("long geht"),
ohne vorher bereits über eine Verkaufsposition in dieser Kontraktart
zu verfügen (= "opening trade"), erhöht unter sonst gleichen
Umständen das "open interest" immer dann um eins, wenn gleichzeitig
auch der Verkäufer eine neue Position in diesem Kontrakt eingeht ("short
geht"). Umgekehrt, wer einen Terminkontrakt verkauft ("short"),
ohne zuvor über eine Kaufposition in dieser Kontraktart zu verfügen,
erhöht das "open interest" immer dann um eins, wenn der Käufer zugleich
eine neue Kaufposition darin aufbaut ("long"). Gleiches gilt
spiegelbildlich für die Verringerung des Offenen Interesses.
Man beachte wohl: Nicht jedes auf dem
Futuresmarkt vollzogene Umsatzgeschäft führt im gleichen Zuge zu einer
Erhöhung des "open interest". So könnte gedanklich Käufer B des obigen
Beispiels seinen März-Dax®-Futures wieder an Verkäufer
S verkaufen. Damit hätte sich der Kreis geschlossen, das "open interest"
wäre trotz einem erneuten Umsatz an null zurückgelangt. Hätte hingegen
Käufer B an einen Dritten T verkauft* und Verkäufer S seine Leerverkaufsposition
beibehalten, so wäre zwar ebenfalls ein weiterer Umsatz zu verzeichnen,
das "open interest" bliebe hiervon jedoch unberührt. Es stünde nach
wie vor auf dem alten Stand bei eins. Erhöht hätte sich das "open interest"
allerdings dann, wenn – c.p.
(ceteris paribus = "unter sonst gleichen Umständen") – der Dritte T
erneut einen Futures von Verkäufer S oder von einer anderen Partei gekauft
hätte.

[* Es geht dies
im Handel mit Futures ohne äußeren Anstoß an, weil niemand das Einverständnis
des ersten, ursprünglichen Kontraktpartners darüber einzuholen nötig
hat.]
Das "open interest" steigt mithin immer
dann, wenn per saldo neue (offene)
Terminkontrakte geschaffen
werden, und es fällt immer dann, wenn per saldo bestehende Terminkontrakte
geschlossen und damit aus dem Spiel genommen werden. Das gesamte von
einem Markthändler gehaltene bzw. kontrollierte offene Interesse bezeichnet
man gewöhnlich als seine Position.
Wie am obigen Beispiel erläutert, gelangt
jeder Futures-Kontrakt für sich stets paarweise zur Entstehung. Aus
diesem Umstand ergibt sich notwendig zu jedem Zeitpunkt der Höhegrad
des "open interest" in Ansehung einer bestimmten Kontraktart (so z.B.
im März-Dax®-Futures), der sich in der Wortformel
ausspricht: Zahl aller offenen Kaufgeschäfte (Long) gleich Zahl aller
offenen Verkaufsgeschäfte (Short) gleich "open interest". Man kann also
sagen, je mehr Kontrakte aufgebaut und gehalten werden und je mehr Belange
damit noch ausstehen – sprich "je stärker das wirksame Interesse"*
an einem spezifischen Kontraktgegenstand tatsächlich ist – desto höher
wird das "open interest" in jenem Markt ausgemessen; und umgekehrt.
Anders gewendet: Durch die Zahl des O.I.
teilt sich das gesamte Interesse an einem Futures dem teilnehmenden
Marktpublikum mit. Berechnet und verkündet wird die Kennzahl "open interest"
für die verschiedenen Märkte regelmäßig zum Schluss eines jeden Börsentages
mit Rücksicht auf den eben zu Ende geführten Handelsabschnitt.
[* Das wirksame
Interesse hängt somit im letzten Grunde davon ab, wie dringlich die
Begierde der Marktbeteiligten nach der Einnahme einer bestimmten Positionierung
tatsächlich ist, d.h. wie sehr
ihnen an einer präsenten wirtschaftlichen Beziehung, einem Mitwirken,
liegt.]
Das
"open interest" zeichnet sich demgemäß ziffermäßig durch eine untere
Grenze von null aus, während ihm im Zuwachs theoretisch keine Grenze
gezogen ist. Im Unterschied zum täglichen Umsatzvolumen in einem Futures
("futures series")
stellt das "open interest" eine durch die gesamte Laufzeit eines Futures
berechnete kontinuierliche
Zahlengröße dar. Unter "volume" (Transaktionsmenge,
Orderbuchumsatz, Handelsvolumen, "trading volume", "turnover")
dagegen versteht man die Zahl der gehandelten, rechtsgeschäftlich
verbindlich abgeschlossenen Terminkontrakte ("lots", "number
of contracts") in einem Futures-Markt, und zwar kumuliert auf eine
bestimmte jeweilig in Betracht gezogene Zeitperiode gerechnet (gewöhnlich
auf einen Tag, bisweilen auch auf eine Woche, einen Monat usw. gewendet);
ebenso möglich ist es, das "volume" bloß auf einen ausgewählten Handelsabschluss
zu beziehen, zu dem ein Kurs notiert worden ist. Je reger der Handel
und je mehr Futures-Kontrakte innerhalb eines betrachteten Handelsabschnitts
abgeschlossen (umgesetzt) werden, umso größer schlägt die Kennzahl "volume"
an, und umgekehrt. Ein Kauf zusammen mit dem zugehörigen Verkauf eines
Futures bilden immer und ausnahmslos genau
einen Kontrakt an Handelsumsatz;
denn zu jedem Käufer eines Futures (long) gehört stets auch ein Verkäufer
(short). Um etwa für einen bestimmten Börsentag in einem untersuchten
Futures-Markt zur berechneten Umsatzzahl zu gelangen, reicht es demnach
aus, lediglich sämtliche Käufe in diesem Terminkontrakt zu zählen. Hätte
also Käufer B im obigen Beispiel am Ende des Börsentages seinen DAX®-Futures
wieder an S verkauft, stünde das "open interest" nun wieder bei null,
der Umsatz ("volume") indessen bei zwei. Augenfällig in der Terminmarktpraxis
ist, dass, ehe das "open interest" endlich nach null zurückgekehrt ist,
eine ganze Reihe von einzelnen Futuresgeschäften stehen kann, ohne dass
auch nur ein einziger effektiver Umsatz im zugrunde liegenden Marktgegenstand
("underlying") stattzufinden braucht.*
[* Hinweis:
Aufgrund der Standardisierung der Kontrakte lässt das "trading volume"
zugleich auch die Summe aller umgeschlagenen Werte je
Handelsperiode ermessen, indes solche von bloß abstrakter Natur ("notional
value"). Das "volume" einer Handelsperiode in Derivaten ist sonach
streng auseinanderzuhalten von einem möglicherweise dahinterstehenden
Handelsumsatz in dem unterliegenden Basisinstrument (Underlying), bewirkt
durch Leistung für Gegenleistung zum Zwecke der Erfüllung. – Anmerkung:
Das Öffnen und Schließen von Kontrakten, ohne Realtausch, führt bei
gegebener Terminpreisänderung allein zu einer Umschichtung der Vermögensverhältnisse
unter den Marktteilnehmern durch Umverteilung der jeweiligen Differenzzahlungen
(Skontration).]
Die Terminbörsen beobachten den Hergang
des Marktverlaufs gewissenhaft bis ins Kleinste, verzeichnen jeden einzelnen
Geschäftsgang mit vollständiger Genauigkeit, mitteln aus dieser reichhaltigen
Zahlensammlung die Handelsverkehrsziffern (Umsatzverlauf, "trading
volume") aus und erstellen nach Vollendung jedes Börsentags daraus
ihre Sitzungsberichte und Statistiken. Nach vollzogener Überprüfung,
und nötigenfalls nach Bereinigung um Fehlumsätze ("mistrades"),
werden die Umsatzzahlen nunmehr auch in einer offiziellen Statistik
öffentlich ausgewiesen (vgl. dazu die
täglichen Umsatzzahlen und das "open interest" an der CME). Die
bekannt gemachten Zahlen nehmen in der Regel je Futures-Markt pauschal
alle Monatstermine zusammengenommen
in sich auf, und nicht etwa nur einzelne Termine davon. Ließen sich
für den Abschnitt einer gerade zu Ende gegangenen Handelsfrist, z.B.
aus abwicklungstechnischen Gründen, die Terminumsätze noch nicht abschließend
ermitteln, so werden diese in der üblichen Weise vorläufig geschätzt
("estimated volume"). Mit dem Ausnahmefall von
Geldmarkt-Futures schlagen
die Verkehrsziffern in den verschiedenen Futures-Märkten im zeitlich
nächsten ("nearby", "Frontmonat") bzw. übernächsten Monatstermin
fast immer am größten an.* Dieser oder der zunächst folgende
gibt damit gewöhnlich den Ton für alle übrigen an. In diesem Sinne wird
der Termin mit den höchsten Umsatzzahlen, der zugleich am nächsten liegt,
oft auch als "active month" benannt. Die Märkte zeitlich naher
Termine sind normalerweise von ansehnlich hoher
Liquidität und –
damit ineinandergreifend – auch von vorteilhafter Markttiefe, womit
offenkundig die Wahrscheinlichkeit wächst, für Abschlüsse auf jenen
Märkten einen allzeit "fairen" Terminkurs zu erhalten. Je mehr Umsatz
ein Futures andauernd auf sich zu ziehen vermag, desto größer ist grundsätzlich
auch seine allgemeine Bedeutung für den Handelsverkehr.
[* Die Märkte
für die zeitlich nächsten Termingüter sind im Zusammenhalt mit den entlegeneren
regelmäßig nicht nur von der höheren Liquidität, sondern auch von der
höheren Volatilität. Es hat
dies seinen Grund darin, dass die Glaubwürdigkeit neu eintreffender
marktrelevanter Nachrichten mit sich ausdehnendem Ereignishorizont abnimmt
("Samuelson Effekt"). Überhaupt bietet das Aufkommen von richtungweisenden
Nachrichtenpublikationen einen Antrieb zu vermehrten Handelsaktivitäten,
und diese wieder führen zu erhöhten, mitunter unerwarteten Volatilitätsgraden.]
Die von den
Terminbörsen ausgewiesene
Kennzahl "open interest" dagegen ist der Sache nach stets zeitpunktbezogen.
Sie bringt das Marktinteresse in jedem Monatstermin innerhalb der verschiedenen
Futures-Märkte zum Ausdruck. Das Offene Interesse wird für jeden einzelnen
derselben eigens bekannt gegeben. Den Bezugszeitpunkt seiner Berechnung
bildet regelmäßig der Handelsschluss der soeben abgelaufenen Handelsperiode.
Auf diese Weise wird jeder Terminmarkt als Teil eines Futures-Marktes
für sich genommen mit Rücksicht auf den genannten Bezugszeitpunkt durch
einen ganz bestimmten Grad an "open interest" öffentlich ausgezeichnet,
der sich im ausgewiesenen Stand der Kennzahl widerspiegelt. Darüber
hinaus arbeiten die Börsenaufsichtsbehörden (in den Vereinigten Staaten
z.B. die
CFTC) an allen Weltterminbörsen
ausführliche Berichte ("Commitments of Traders Report",
COT Report*) aus, die den jeweiligen Stand des "open interest"
bis ins Einzelne zu übersehen erlauben. Diese werden, wie es üblich
ist, allwöchentlich bezw. vierzehntäglich jeweils in frischer Fassung
vor die Öffentlichkeit gebracht. Die beigebrachten Berichte sind vorzugsweise
brauchbar, um der Handelswelt und deren Beobachtern einen genaueren
Aufschluss über die Geschäftstätigkeiten der gesonderten Gruppen von
Marktteilnehmern und deren Macht über die Kursentwickelung zu verschaffen.
Das Verfahren der periodischen Veröffentlichung der COT Berichte schafft
letzten Endes eine willkommene Verbesserung der Markttransparenz.
[* Die CFTC bringt
regelmäßig freitags um 15:30 Uhr (ET)
COT Reporte für alle jene Terminmärkte heraus, in denen mindestens fünf
Händler (Trader) Positionen halten, welche die Zahl für die Meldepflicht
von Terminkontrakten ("reportable
limit") übersteigen.]
Wann genau zu welcher Stunde, Minute und
Sekunde eines Börsentages welches Quantum an Kontrakten zu welchen Kursen
angeboten, nachgefragt und gehandelt wurden, erfährt der am Marktgeschehen
Anteil nehmende unter der Angabe "Times and Sales" (T&S), d.i.
eine gesonderte von den Terminbörsen periodisch vor die Öffentlichkeit
gebrachte Statistik über Umsatzzahlen für die Gesamtheit der Terminmärkte
am Platze ("trading statistics"). Anhand der Umsatzausweise solcher
Art vermag jedermann sich Kenntnis zu verschaffen über Zeitpunkt (Zeitstempel,
"timestamp") und Umfang jedes vermittelten Terminkontraktgeschäftes
innerhalb des fraglichen Börsenhandelsabschnitts auf dem betreffenden
Markt. Die Umsatzstatistiken dienen noch einem weiteren Ziel: Eine sorgfältige
interne Auswertung des gesamten vorliegenden Zahlenmaterials im Rahmen
einer regelmäßig stattfindenden umfassenden Kontrolle aller Marktaktivitäten
("systematische Handelsüberwachung") soll einem verbotenen Vortäuschen
von verzerrenden Scheinumsätzen in Futures (d.i.
der gleichzeitige Kauf und Wiederverkauf identischer Kontrakte, sog.
"wash sales") wie auch von sonstigen Umtrieben vom Anfang an
die Spitze abrechen.
Deuten lässt sich das "open interest"
einerseits als Anzeiger ("Indikator") für den an der Restlaufzeit eines
Terminkontrakts ausgerichteten, noch zu tätigenden Mindestumsatz in
diesem Markt; denn schließlich müssen alle derzeit gehaltenen, aber
vorläufig noch ungedeckt gebliebenen Futures-Kontrakte spätestens zum
Fälligkeitstage glattgestellt (oder gegebenenfalls tatsächlich erfüllt
oder aufgerechnet) werden, wie es nach allseits bekannten Regeln von
allen "unbedingten Termingeschäften" ohne Unterschied verlangt wird.
So gesehen vermittelt das "open interest" ein zuverlässiges Merkzeichen
dafür, welcher Mindestumsatz in Zukunft noch zu erwarten steht. Zum
anderen stellt das "open interest" zweifellos auch ein bedeutendes Richtmaß
zur Einschätzung der
Liquiditätslage eines Terminmarktes dar.
In der anschaulichen Vorstellung, aber
auch in Wirklichkeit kann das auf einem Terminmarkt sich ausweisende
"open interest" den Umfang des auf dem nebengeordneten Loko- bzw. Kassamarkt
herrschenden physischen Angebots leicht um ein
Vielfaches überflügeln. Was an sich niemand wundernehmen wird; denn
es kann herkömmlich mehr Ware auf Termin durch Absprache vertraglich
abgemacht als erzeugt, können mehr Wertpapiere kontraktiert als emittiert
werden. Das Grundübel hiervon ist, dass eine Übersteigerung des Mengenverhältnisses,
gleichviel ob durch gröbliche Unachtsamkeit einzelner größerer Händler
oder vom Widerpart durch übelwollenden Gebrauch mit arger List herbeigeführt,
zum Nachteil für das gesamte betreffende Wirtschaftsgebiet ausschlagen
kann ("market abuse"). Ebenso denkbar und vom Übel wäre der Versuch
einer Gestaltung der Preislage hin zur Alleinherrschaft (Monopol), um
damit rein eigennütziger Zwecke willen Missbrauch zu treiben. Angespielt
sei in diesem Bezug auf die Gefahr der Entfremdung von den eigentlichen,
wesenhaften Absichten des Futures-Handels durch den Kunstgriff eines
sogenannten "corner" (oder auch "squeeze" genannt;
zu Deutsch manchmal als "Ring" angesprochen). Unter dem Begriff "corner"
versteht man den zwar gewieften, aber anrüchigen und verpönten Winkelzug
einer gezielten Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung in einem
Markt andienungsfähiger Terminkontrakte. Ein derartiges Unterfangen
wird in die Wege geleitet und durchgesetzt vornehmlich durch Erzeugung
einer zeitweiligen "künstlichen" Angebotsverknappung auf Umwegen durch
still forcierte Aufkäufe ganz im Dienste eines nachhaltigen Preisauftriebs
("corner the market"). Die List einer "Cornerung" des befangenen
Marktes hat im Allgemeinen eine umso bessere Aussicht zu glücken, je
seltener und gefragter der betreffende Marktgegenstand im Leben ist.
Bei Eintritt der Terminfälligkeit des Kontrakts ist der Aufkäufer (meist
ein Konsortium oder deren Dunkelmänner) auf der Long-Seite nunmehr im
Besitz eines Großteils des physischen Gesamtangebots, wodurch er leichtes
Spiel hat; denn die ihm gegenüberstehenden Inhaber von ungedeckten Short-Positionen
sind nun in der Klemme. Sie können ihren Lieferverpflichtungen nicht
anders nachkommen, als den fraglichen Marktgegenstand zu dem ihnen abgepressten,
vom Aufkäufer wucherisch hochgehaltenen Preis anzukaufen. "Corners"
drohen allenthalben dann zu entstehen, wenn mit herannahender Terminfälligkeit
in einem Kontraktmarkt die durch das "open interest" verkörperte Menge
über die tatsächlich vorhandenen Bestände an der Grundware hinausgesteigert
ist. Glücklicherweise sind die Derivatebörsen heutzutage bestrebt, "corners"
und die daraus drohenden Übelstände und Bedrückungen den Aufkäufern
durch strafferes Vorgehen zu verleiden. So gehen die Terminbörsen durch
Einrichtung z.B. von
Positions-Obergrenzen in Verbindung
mit der verbindlichen Vorgabe verschiedener Lieferungsqualitäten darauf
aus, Ausschreitungen durch "corners" bereits in ihrer Ausgangslage im
Keime zu ersticken.
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"open interest" und
"volume" als Kennzahlen im praktischen Einsatz
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Man möchte meinen, jeder Terminmarkt für
sich führe als solcher ein lebensähnliches Dasein. Nach Einführung eines
neuen zyklischen Termins
in den Handelsverkehr nimmt das "open interest" in diesem Markt gewöhnlich
zunächst ganz allmählich Fahrt auf, wächst im weiteren Laufe dann immer
mächtiger an und verbleibt, sofern zu jenem Termin der Voraussicht nach
umfangreichere Hedgegeschäfte
anstehen, meist ohne spürbare Abschwächung auf verhältnismäßig hohem
Stand. In seiner weiteren zeitlichen Erstreckung wird diese Ziffer –
so nämlich besonders augenfällig unter der Wirkung saisonbedingter Einflüsse
und, wie man immer wieder erfährt, mit diesen zusammentreffenden zunehmend
häufig wiederkehrenden spekulativen Ausschweifungen – mehr oder weniger
stark ausgeprägten Schwankungen unterliegen, um nach Erreichen ihres
relativen Maximums dann langsam im Niedergang begriffen einige wenige
Tage vor Fälligkeit des Termins steil und immer rascher herunterzugehen,
bis das "offene Interesse" spätestens nach Vollendung des letzten Handelstages
schlussendlich notwendig wieder bei null angelangt sein wird ("Kontraktlebenszyklus").
Der schleunige Rückgang im "open interest" besonders während der letzten
Handelstage eines Futures ist erfahrungsgemäß auf Umschichtungen zurückführen
von dem nun auslaufenden hinein in den jetzt nächsten, nunmehr liquideren
Monatstermin (dieses Verfahren wird in fachlicher Sprache "roll-over"
oder auch "switching" genannt). Fast immer verdichten sich die
Handelsaktivitäten an den Futures-Märkten auf die vorderen Terminmonate,
so dass beide Kennzahlen, "open interest" wie auch "volume", aus eben
diesen die aus den späteren Terminen in aller Regel ziffermäßig weit
überragen. Mitbegriffen in die Kennzahl "open interest" ist hierbei
selbstverständlich auch der nicht unwesentliche Anteil an im Markt offengehaltenen
Spread-Positionen.
Anerkannt brauchbare Anwendung finden
die beiden Kennzahlen "open interest" und "volume" u.a.
bei der Untersuchung der Zusammensetzung der das gegenwärtige Marktgeschehen
prägenden Gruppen von Händlern (beispielsweise untergliedert nach Hedger,
Hedge-Funds, sonstige Kapitalanlagegesellschaften und Kleinanleger usw.),
zwecks Aussagen über den Zuwachs im Handelsverkehr von bestimmten Futures-Produktreihen,
ferner zur Beurteilung der an den Derivatemärkten vorzufindenden allgemeinen
Liquiditätslage einschließlich deren Größenordnung und Aktivitätsgrad,
als endlich zur vagen Einschätzung der Erwartungshaltung der Marktbeteiligten
im Hinblick auf die mögliche künftige Kurs- und Umsatzentwicklung im
bezüglichen Terminmarkt. Ein hohes "open interest" bei gleichzeitig
leidlich geringem "volume" etwa deutet i.A.
hin auf ein breiteres kommerzielles Interesse an Kurssicherungsgeschäften;
denn nicht wenige berufsmäßige Hedger ("commercials") pflegen
ihre Terminmarktpositionen durch einen längeren Zeitraum hindurch auf
einheitlichem Stand aufrechtzuerhalten. Andererseits legt der Beobachtungssachverhalt
eines geringen "open interest" bei gleichzeitig verhältnismäßig großem
"volume" den Schluss nahe, dass in einem derartigen Markt das kurzfristige
spekulative Interesse überwiegt. Was als ein hohes und was als ein niedriges
"open interest" und "volume" zu deuten ist, hängt ab vom jeweiligen
Markt verglichen mit anderen Märkten und deren Entwicklung der Kennzahlen
im Zeitlauf. So kann ein als gering erachtetes "open interest" oder
"volume" für den einen Markt durchaus ein als hoch aufgefasstes für
den anderen sein.* Zu konstatieren ist indes, dass die Aktivitäten
von "Daytrader"
und "Scalper" grundsätzlich nicht
in das "open interest" mit einfließen, da diese beiden Gruppen von Tradern
ihre eingeleiteten Positionen bis zum Ende jeder Börsenhandelsphase
wieder aufzuheben gewohnt sind.
[* Das weltweite
"open interest" stand am Jahresende 2020 bei rund 987,3 Mio. Kontrakten
(Vorjahr gegen 900 Mio.), wobei gut die Hälfte dessen allein auf das
Konto nordamerikanischer Börsen ging.]
Augenfällig ist es, dass Größenänderungen
bei den Kennzahlen "volume" und "open interest" nicht zwingend in Abhängigkeit
zueinander stehen. Beispielsweise wird ein hoher Umsatz innerhalb einer
Handelsphase allemal dann ohne allen nennenswerten verändernden Einfluss
auf das "open interest" bleiben, wenn sich gleichzeitig die Zahl der
neu geöffneten Kauf- mit der der neu geöffneten Verkaufspositionen ungefähr
die Waage hält. Auch lässt sich als möglich denken, dass das "volume"
bei fallendem "open interest" eine steigende Richtung einschlagen wird,
sofern bei lebhaftem Handel mehrheitlich Positionen geschlossen werden.
Außerdem kann das "volume" bald höher, bald tiefer liegen als das "open
interest".
Händler mit einem Hang zur "Technischen
Analyse", besonders die, die der
Charttechnik* zuschwören,
beeifern sich, aus der Entwicklung des "open interest" im untersuchten
Futures-Markt handfeste Schlüsse zu ziehen in der Hoffnung, daraus stichhaltige
Anhaltspunkte für den wahrscheinlichen Gang der künftige Kurse gewinnen
zu können. Zu diesem Zweck bedienen sie sich mit Vorliebe einer Chartanalyse
unter Einbeziehung von "open interest" und Umsatzverlauf ("volume").
Ihre Ergänzung findet diese häufig und gern durch sogenannte "Indikatoren"
und "Formationen", welche der technische Analytiker den gewesenen Kursbewegungen
glaubhaft zu entnehmen vermeint. So stellen im Munde von "Chartisten"
gewisse "Signale", wie etwa ein zunehmendes "open interest" bei gleichzeitig
steigendem Orderbuchumsatz und steigenden Kursen, ein Prognostikon auf,
das aller menschlichen Voraussicht nach auf weitere Kurssteigerungen
hindeute; denn – so wird manchenorts ins Gefecht geführt – "es werden
fortwährend aggressiv neue Käufe zu immer höheren Kursen getätigt, was
auf einen 'technisch festen Markt' mit Anschlusskäufen schließen lasse".
[* Charts
sind optisch aufbereitete Kurs-Schaubilder, die in graphischer Darstellung
Aufschluss über die Kurs- und Umsatzentwicklung innerhalb vergangener
Zeitperioden geben.]
Einen abschließenden Überblick dessen,
was den mutmaßlichen Zusammenhang zwischen Futures-Preis, "volume" und
"open interest" ausmacht, vermittelt die folgende Tabelle. Über den
Erkenntnisgehalt, der einer derartigen Lehre vielfach untergeschoben
wird, mag indes einiger Zweifel angebracht sein.
Futures-Preis |
"open interest" |
"volume" |
Beurteilung |
steigt |
steigt |
steigt |
fester
Markt ("bullish") |
steigt |
fällt |
fällt |
sich
abschwächender Markt |
fällt |
steigt |
steigt |
schwacher
Markt ("bearish") |
fällt |
fällt |
fällt |
sich
erholender Markt |
Tabelle: Futures-Preis,
"volume" und "open interest"
Lesen Sie auf der folgenden Seite:
Settlement:
Erfüllung von Futures durch physische Lieferung

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