Einiges zur Wertfestsetzung
von Optionen
Im Folgenden seien
Optionen einer Marktwertbetrachtung unterzogen.
Der einer Option beigelegte Preis (= Optionsprämie) schwankt während
ihrer Laufzeit für gewöhnlich Zug um Zug mit dem Wertanschlag ihres
unterliegenden Gegenstandes ("underlying price") – gleichläufig
bei einem Call, gegenläufig beim Put – wobei dieser wie jener sich nach
bekannten Grundsätzen durch Angebot und Nachfrage am betreffenden Marktplatz
bestimmt. Es erscheint dies insoweit unmittelbar einleuchtend, als der
bezügliche Kassa- oder Terminmarkt wie auch der zugehörige Optionsmarkt
nach außen hin für sich eigenständige Marktabschnitte bilden, die unter
dem Einfluss der ihnen eigentümlichen Kursbestimmungsgrößen stets eigene,
aus sich zu betrachtende Preisverhältnisse an den Tag legen. Gleichwohl
stehen beide Zweige in Wirklichkeit nicht getrennt und vereinzelt da,
sondern sind durch gewisse übergreifende Kräfte kausaler Natur, den
sogenannten Arbitragebeziehungen,
aufs innigste miteinander verflochten. So fügt es sich, dass die Prämie
und mit ihr der Marktwert von Optionen sich regelmäßig ausrichten an
den bekanntgegebenen Preisen und Kursen der ihnen zugrunde liegenden
(originären, primären) am Spot- bzw. Kassamarkt oder am Terminmarkt
gehandelten Werte oder an sonst wo abgelesenen Maßgrößen (allgem. "Zuständen").
Optionen gehören den derivativen Finanzmarktinstrumenten
an, von denen sie sich herschreiben und ohne deren Bestand sie undenkbar
wären ("contingent claim"). In ihrer Daseinsform eines
derivativen Instruments
leitet sich der Wert einer jeden Option in eindeutig bestimmbarer Weise
her von dem Preis ihres Bezugsgegenstandes (Basistitel, "underlying",
"underlier"). Der in ihrer Prämie zutage tretende Wert einer
Option hängt jedoch nicht nur vom Stand des Preises ihres Underlyings
allein ab, sondern neben der Art ihrer Ausstattung kommen noch weitere
Größen in Rechnung, die grundlegend und bestimmend sind für ihren Wert,
zumal die Schwankungsstärke (Volatilität) des Preises im Markt ihres
zugrunde liegenden Gegenstandes, ihre Laufzeit bis zur Fälligkeit sowie
die Höhe des Zinses, um nur die wichtigsten zu nennen. Mittelbar hängt
die Höhe einer Optionsprämie und damit ihr Wert aber auch von den Erwartungen
der Marktteilnehmer ab, in welcher Weise und in welcher Richtung sich
der Marktpreis des zugrunde liegenden Handelsgegenstandes ("underlying
asset") in Zukunft bewegen wird ("forward price") und somit
letztlich von der Erwartung, ob und inwieweit die Option sich zur Fälligkeit
"im Geld" (ITM) befindet und ihr damit ein Ausübungswert ("exercise
value") zuteilwird. Näheres darüber ist weiter
unten zu ersehen.
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Innerer Wert und Zeitwert
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Optionen können Träger eines gegenwärtig
vorhandenen Geldwertes sein, welcher sich in ihrem Optionspreis, der
Prämie, mitteilt. Gibt es ihn nicht, so ist ihr Wert allemal gleich
null, niemals kleiner als null. Genauer besehen zerfällt ein gegebener
Eigenwert einer Option ("market value"; Verkehrswert) für sich
genommen zu jedem beliebigen Betrachtungszeitpunkt in zwei gesonderte
Teile: falls vorhanden 1.) in den inneren Wert ("intrinsic
value", "parity value", "exercise value") und 2.)
in den Zeitwert (Zeitprämie, "time value", "time (value)
premium", "premium over parity", "speculative value",
"extrinsic value").*
[* Anmerkung:
Der innere Wert und der Zeitwert einer Option werden an den Börsenplätzen
niemals getrennt für sich allein angegeben. Der von der Börse angeführte
Kurs einer Option benennt stets schlechtweg ihre Prämie, gerichtet auf
je eine Einheit des einzelnen Kontrakts.]
Der
innere Wert einer Kaufoption bemisst sich nach dem Geldwert,
der dem Optionsinhaber nach ihrer Auslösung rein verbleibt, will sagen
nach der Summe Geldes, die er behielte, wenn er seine Option zum Ausübungspreis
ausübte und die in Wertpapieren, Waren, Devisen usw. erstandene Position
sogleich wieder am Markt schließen wollte. Der innere Wert einer Verkaufsoption
dahingegen beziffert sich nach dem Wert, der dem Optionsinhaber nach
ihrer Auslösung rein verbleibt, also der Summe Geldes, die er behielte,
wenn er seine Option zum Ausübungspreis ausführte und mit dem erhaltenen
Gegenwert für den Verkauf seine ursprüngliche Position in Wertpapieren,
Waren, Devisen usw. sogleich wieder im Markt aufbauen wollte. Dies setzt
bei vorzeitiger Geltendmachung des Optionsrechts voraus, dass eine Ausübung
innerhalb der Verfallfrist in freiem Umgang überhaupt möglich und für
den Halter aus finanzieller Sicht durchaus vorteilhaft ist. Anders gewendet,
was aber auf eins herauskommt: Der innere Wert einer Option kommt stets
und ausnahmslos dem Wert gleich, welcher dem Inhaber zukäme, wenn die
Option augenblicklich verfiele und man sie gleichzeitig nach ihrem Verkehrswert
("exercise value", "parity value") aufrechnete. Ein gegebener
innerer Wert ist folglich immerzu der Mindestwert, den die untersuchte
Option annehmen kann ("trading at parity"). Selbst wenn während
der Andauer der Option über die weitere Entwicklung ihres Prämienwertes
Ungewissheit herrscht, am Schluss der Laufzeit bei Fälligkeit liegt
der Wert jeder Option stets eindeutig fest: er entspricht jetzt ganz
genau dem inneren Wert, d.i
dem (positiven) Unterschied zwischen Ausübungspreis und Schlussabrechnungspreis.
Befindet sie sich im Geld, so liegt er über
null, andernfalls, sofern sie aus dem Geld bleibt, fällt er auf die
untere Grenze von null herab. Besitzt die betrachtete Option unmittelbar
vor Ablauf der Verfallfrist einen zählbaren inneren Wert, so wird sie
an der Börse durch eine Ausübungsanzeige ("exercise notice")
von ihrem Halter, in den meisten Fällen indessen selbsttätig gemäß Börsenregeln,
ausgeübt werden, um ihn am Ende gegen bar geltend zu machen.
Ist ein innerer Wert nicht gegenwärtig,
so rechnet sich eine Auslösung der Option für ihren Inhaber nicht. Da
er sie nicht ausüben muss, ist ihr Wert allenfalls gleich null, keinesfalls
geringer (nicht negativ), so dass sie ihm Schulden eintrüge. Insofern
der Halter der Option nichts anderes als den Gegenwert eines inneren
Wertes, solange und soweit durch die Marktlage positiv festgesetzt,
in Barem einzustreichen entschlossen ist, wird er sie ausüben und mit
der Auslösung zu gleicher Zeit ihr Basisgut im Effektivmarkt gegen Kassa
zum herrschenden Marktpreis wieder umsetzen oder, soweit vorgesehen,
ersatzweise sich den Unterschied über die Clearingstelle der Börse durch
Barabgeltung ("cash settlement") verrechnen lassen. Getreu dem
auf der vorigen Seite gegebenen
Beispiel zu 1
konnte der Inhaber durch Ausübung seiner "American-style"-Kaufoption
eine Gesamtheit von hundert Aktien zum Basispreis von 100€
je Stück erstehen und diese in gleichem Zuge zu einem Kurswert von 115€
auf dem Kassamarkt wieder losschlagen. Der Unterschied im Preise von
15€ liefert den inneren Wert
des Calls, gerechnet auf je eine Aktie. Ihr am Markt zu lösender Geldwert
("payoff", "intrinsic value") ist hiernach ein positiver.
Der innere Wert einer Option kommt daher stets ihrem Ausübungswert ("exercise
value") gleich, ungeachtet des Verfalltages. Arbitragegründe stellen
sicher, dass der innere Wert zugleich der kleinstmögliche (positive)
Geldwert ist, den eine amerikanische Option annehmen kann. Bei europäischen
Optionen hingegen ist das allerdings nicht durchweg gewährleistet, weil
in diesem Falle eine Arbitrage während der Laufdauer nicht gangbar ist.
Augenfällig ist wie gesagt, dass ein vorliegender innerer Wert einer
Option ganz unabhängig von ihrer Laufzeit besteht.
Demgemäß lässt sich folgende Regel aufstellen:
Der innere Wert einer Kaufoption (Call)
entspricht dem Unterschied zwischen dem höheren Preis des Underlyings
und dem niedrigeren Basispreis; sonst null. Der innere Wert einer Verkaufsoption
(Put) entspricht de Unterschied zwischen dem höheren Basispreis und
dem geringeren Preis des Underlyings, sonst null. Man sagt von
einer Option, die positiven inneren Wert hat, sie liegt "im Geld" ("in
the money" ITM). Anders ausgedrückt: Der innere Wert einer Option
beläuft sich völlig genau auf den Betrag, mit dem sie im Geld liegt.
Eine Kaufoption mit einem Ausübungspreis von 100€
liegt bei einem Kurstand des Basisgutes von 115€
mit 15€ im Geld, eine Verkaufsoption
hingegen mit einem "strike price" von 70€
befindet sich bei einem Kursstand des unterliegenden Gutes von 50€
mit 20€ im Geld. Der innere
Wert einer Option verkörpert für deren Käufer und Halter (Long) einen
Guthabenposten (= "credit"). Je höher er anschlägt, desto mehr
steigert er c.p. seinen Vermögensstock
("equity"). Für den Optionsverkäufer und Stillhalter (Short)
dagegen bildet der innere Wert der Option einen Schuldposten (= "debit"),
der sein Vermögen c.p. um ein
Entsprechendes mindert, je mehr er sich steigert.
Wie leicht einzusehen, wird niemand willens
sein, wenn er nicht töricht oder ganz uneigennützig ist, eine erkaufte
Option, die "im Geld" liegt, unter ihrem inneren Wert wieder herzugeben.
Desgleichen wird eine angekaufte und im Besitzstand gehaltene Option
("long"), wie erwähnt, für ihren Halter nirgends und niemals
einen verlustbringenden (d.i.
negativen) Marktwert annehmen; denn niemand ist dazu verbunden noch
verstünde sich gar irgendeiner dazu, eine Option, die einen inneren
Wert vermissen lässt, aus freien Stücken auszuüben, wenn und insofern
ihm das einen sofortigen Verlust bescherte, den er sonst nicht zu beklagen
hätte. Genau darin liegt ja der Wesenskern eines jeden Optionsgeschäfts,
nämlich in dem Recht zu wählen. Kurzum, der innere Wert einer jeden
bestehenden Option kann äußerstenfalls auf null hinab sinken, die Option
damit ihren Ausübungswert vollständig einbüßen.
Darüber hinaus gibt es Optionen, die vielleicht
zwar einen Verkehrswert oder Börsenpreis, aber keinen inneren Wert haben.
Solcherlei Optionen besitzen einzig einen Zeitwert und werden
mit dem Sprachkürzel "aus dem Geld" ("out of the money" OTM)
liegend umschrieben. Eine Kaufoption (Call) befindet sich "aus dem Geld",
wenn und insoweit der Marktpreis ihres Underlyings niedriger steht als
ihr "exercise price". Eine Verkaufsoption (Put) wieder liegt "aus dem
Geld", wenn und insoweit ihr Basispreis unter dem Marktpreis ihres Underlyings
zurückbleibt. Eine Option, die "aus dem Geld" ist, besitzt keinen inneren
Wert. Allenfalls ist ihr ein Zeitwert beschieden. Endlich gibt es Optionen,
die zwar sehr wohl einen inneren Wert tragen und damit im Geld liegen,
die aber unausgeübt wertvoller sind als wenn man sie unmittelbar ausübte.
Diese besitzen folglich über ihren inneren Wert hinaus auch noch einen
Zeitwert ("premium over parity").
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Moneyness – die Geldnähe von Optionen
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Liegt eine Option von was immer für einer
Art endlich weder aus noch im Geld, stehen also ihr Basispreis und der
Marktpreis des unterliegenden Gutes auf ein und derselben Höhe, allenfalls
fast genau auf einer Höhe, so befindet sie sich "am Geld" ("at the
money" ATM, "pari"). In diesem Sonderfall steht sie gleichsam
auf der Schneide zwischen "im Geld" und "aus dem Geld". Da, wo der Marktpreis
des Grundgegenstandes ganz in der Nähe des Ausübungspreises der Option
liegt, sagt man gelegentlich auch, sie notiere "near the money".*
– Durch eine genügende Bewegung des Marktpreises des zugrunde liegenden
Gutes in seiner Stellung zum "strike price" kann die Einstufung, ob
"im", "am" oder "aus dem Geld" im Zeitlauf der Optionsfrist umschlagen,
zuweilen ganz unvermittelt mit einem Male oder gar nicht selten auch
in buntem Wechsel hintereinander die Lage immer wieder ändern. Der
Grundgedanke, der das Verhältnis von Ausübungspreis
und herrschendem Marktpreis des Basiswertes einer Option einander in
näherem Zusammenhang stellt, wird nach dem Vorgang der englisch-amerikanischen
Lehre allgemein mit dem Ausdruck "moneyness" benannt (dt.
soviel wie "Geldnähe"). Der Begriff bezieht sich auf die Option selbst
und gilt somit uneingeschränkt aus Sicht des Käufer der bezüglichen
Option ebenso wie für ihren Verkäufer (Schreiber).
[* Nebstdem
gibt es Optionshändler, die besonders bei Europäischen Optionen zwischen
"at the money" und "at the forward" unterscheiden. Im letzten Fall liegt
der Ausübungspreis der Option auf der Höhe des zugehörigen Terminkurses.]
Das soeben Gesagte auf den kürzesten Ausdruck
gebracht ergibt:
Marktwert einer Option (Prämie) = innerer Wert
+ Zeitwert .
Bezeichnet X den Ausübungspreis ("exercise
price") einer Option und St den zum Zeitpunkt t herrschenden
Marktpreis ihres zugrundeliegenden Gegenstandes, so erhält man, in abkürzender
förmlicher Schreibweise, den in folgender tabellarischen Übersicht dargestellten
Zusammenhang:
"Moneyness" |
CALL |
PUT |
Im Geld* |
St > X |
St < X |
Am Geld |
St = X |
St = X |
Aus dem
Geld |
St < X |
St > X |
[* Anmerkung:
Je weiter eine Option während der Laufzeit ins Geld rückt, desto größer
wird der Anteil des inneren Wertes an ihrer Prämie. Eine Option "im
Geld" ist aber nicht notwendig gleichbedeutend mit einem erreichten
Gewinn. Erst wenn der Betrag, mit dem die Option im Geld liegt, die
Höhe der anfänglich bezahlten Prämie plus entgangener Zinsen plus Spesen
übersteigt, entsteht bei der Ausübung Gewinn.]
Da nun, wie eingangs geschildert, der
Wert einer Option sich immer aus dem innerem Wert und dem Zeitwert zusammensetzt,
so ergibt sich daraus folgender logisch zwingender Schluss: Eine Option
besitzt einen Zeitwert, der
dem Unterschied zwischen der Optionsprämie und dem inneren Wert der
Option gleichkommt; oder in förmlicher Schreibweise ausgedrückt:
Zeitwert =
Marktwert –
innerer Wert. Es sei bei dieser
Gelegenheit ausdrücklich hervorgehoben, dass es im Optionshandel nichts
weniger als ungewöhnlich ist, dass die eine wie die andere der obigen
an einer Optionsprämie beteiligten Wertgrößen oder sogar beide nebeneinander
gleich null sein können.* Einer Option wird jedoch stets ein
Wert zukommen, solange es einzelne Finanzanleger gibt, die es für wahrscheinlich
halten, dass sie noch vor dem Verfall ins Geld rückt und bereit sind,
dafür eine angemessene Prämienzahlung zu leisten.
[* Randbemerkung:
Für den Fall einer tief im Geld liegenden Europäischen Option kann der
Zeitwert unter besonderen Bedingungen anders als der innere Wert wenigstens
zu einem kleinen Teil auch einen negativen Betrag annehmen.]
Optionen sind taggenau befristete Finanzgeschäfte
mit der Eigenschaft, dass in Anbetracht einer verbleibenden Laufzeit
und der damit verbundenen Vorteilsgelegenheit ihnen ein gewisser Wert
zuteil wird. Das Ausmaß des Zeitwertes einer Option wird jedoch bei
weitem nicht allein von ihrer Restlaufzeit bestimmt, insofern ist der
Name Zeitwert irreführend. Tatsächlich üben auf den Zeitwert einer Option
mindestens zwei scharf auseinanderzuhaltende Einflusskräfte Wirkung
aus: einesteils seht ein solcher zwar sehr wohl unter dem Einfluss von
der verbleibenden Laufzeit der Option ("residual time to maturity"),
andernteils aber, und das gar nicht unwesentlich, wird er durch die
voraussichtliche Volatilität
im Markt ihres Bezugsobjekts verursacht, also desjenigen Preis-Schwankungsvermögens
während der Frist bis zu ihrem Verfall, das ihrem Basisgegenstand vom
Markt implizite beigelegt wird. Wie nach feststehender Erfahrung
die Praxis der Optionsgeschäfte erweist, führt eine erhöhte (implizite)
Volatilität auf dem fraglichen Markt, unter sonst gleichen Umständen,
zu einem sich hebenden Zeitwert der Option; und umgekehrt. Dieser Befund
findet seine Grundlage in dem unmittelbar einleuchtenden Satz: Der Wert
einer Option erhöht sich in dem Maße, wie die Wahrscheinlichkeit dafür
emporsteigt, dass diese binnen der verbleibenden Laufzeit ins Geld rückt
bzw. ihren bereits vorliegenden inneren Wert mehr und mehr auszubauen
bestrebt ist ("contingent claim"). Zwar hängt grundsätzlich an
jeder Option, während sie andauert, unausgesetzt die Gefahr einer Werteinbuße
bis hin zum gänzlichen Verlust der ausgelegten Prämie; doch wird in
Ansehung des asymmetrischen Gewinn-/Verlust-Profils von Optionen ein
solches Vorkommnis aus Sicht des Optionshalters, der auf Gewinnerzielung
setzt, gemessen an seiner persönlichen Wertschätzung regelmäßig zurückbleiben
hinter dem Vorteil einer in Aussicht stehenden Gewinnspanne, welche
den möglichen Verlust um ein noch ungekanntes Vielfache übersteigt ("risk-return
leverage", "risk-reward tradeoff"),
was das Dasein eines Zeitwertes überhaupt erst herbeiführt.
Nach dem Gesagten ist soviel klar: Der
Zeitwert einer Option als solcher ist Ausdruck 1.) einer gewissen Aussicht
auf Gewinnerzielung aufgrund einer in zukünftiger Zeitfolge, d.i.
während ihrer Laufdauer, sich einstellender günstigen Kursveränderung
im Basisgegenstand und 2.) ihrer innewohnenden Schutzwirkung bei der
Absicherung gegen unerwünschte Preisentwicklungen (Hedging).
Alles Übrige als unverändert vorausgesetzt, erreicht eine Option ihren
entsprechend höchsten Zeitwert – je nach gegebener Marktlage – im Regelfall
dann, wenn sie "am Geld" ("at the money") liegt. Eine Option,
die entweder punktgenau am oder aus dem Geld liegt, leitet ihren Wert
demzufolge, wie leicht zu durchblicken, allein aus ihrem Zeitwert her.
Ganz gleich, in welcher Richtung: Je weiter der Kurs des Underlying
sich vom Ausübungspreis der Option entfernt, desto mehr vermindert sich
ihr Zeitwert. Eine tief im Geld liegende Option besitzt fast keinen
(zuweilen gar einen negativen) Zeitwert, wohl aber einen stattlichen
inneren Wert. Eine weit aus dem Geld befindliche Option besitzt, wenn
überhaupt, wenig oder kaum einen Zeitwert, noch auch einen inneren Wert.
Eine Option kann aus naheliegenden Gründen nur
vor Erreichen ihres Verfalltermins
einen Zeitwert gewähren. Mit zunehmendem Zeitverfluss und mit Herannahen
des Verfalltermins an die Gegenwart wird der Zeitwert der Option sehr
bald und, sofern am Geld, am Ende sogar immer schneller (d.i.
in der Zeit überverhältnismäßig, weil größtes Theta am Geld) abschmelzen
("time value decay", "wasting asset"). Er wird bei Eintritt
des Verfalls sich mit innerer Notwendigkeit allemal auf null stellen.
Ein etwaiger Endwert kommt sodann allein dem inneren Wert der Option
gleich ("parity"). – Der innere Wert einer jeden Option lässt
sich sowohl während ihrer Laufzeit als zu einem beliebigen Ausübungszeitpunkt
als endlich auch bei Verfall förmlich herleiten aus: max(S–X,
0) im Falle einer Kaufoption und max(X–S,0)im
Falle einer Verkaufoption.
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Es erhebt sich nach dem Vorangegangenen
die Frage, wovon im Einzelnen der Geld- und Marktwert einer gewöhnlichen
Option nicht bloß am Laufzeitende, sondern schon während ihrer Laufzeit
namentlich abhängt? – Nun, aus analytischer Sicht offenbar, neben der
Form der Option ("option type"), wenigstens
von sechs zählbaren Gestaltungsgrößen* (Preisdeterminanten, "risk
factors"): 1.) vom vorliegenden Preis ihres zugrunde liegenden
Gegenstandes, 2.) vom Ausübungspreis, 3.) von der verbleibenden
Laufzeit, 4.) vom herrschenden Marktzinsfuß für sichere Geldanlagen,
berechnet auf die Restlaufzeit des Zeitpunktes der Wertbeimessung, 5.)
von den Erträgnissen des Basistitels (bei Aktienoptionen also
von den Dividenden), die während der Laufdauer anfallen, sowie 6.) von
der mutmaßlichen zukünftigen Breite und Kraft der Preisschwankungen
des Basisgegenstandes, d.i.
die voraussichtliche, vom Markt erwartete Volatilität desselben.
Bis auf den allerletzten, die Volatilität sowie Dividenden und dergleichen,
sind sämtliche der aufgeführten Parameter bestimmt gegebene, unmittelbar
ablesbare Erscheinungstatsachen, die jede für sich auf eindeutige Weise
wertbestimmend sind sowohl für Kauf- wie für Verkaufoptionen. Sie alle
finden vereint mit der für wahrscheinlich gehaltenen Volatilität und
den im vorkommenden Fall geschätzten Erträgen der unterliegenden Wirtschaftssache
Eingang in die modellgestützte Optionspreiskalkulation.
Optionen verkörpern bedingte Termingeschäfte
("contingent claims"), die einer Wertbeimessung durch geeignete
Modelle fähig sind. So baut auf all den eben entwickelten Größen das
weithin bekannte und bis auf den heutigen Tag mit am häufigsten verwendete
Black-Scholes-Merton-Modell auf, ein Optionswertmodell ("option
pricing model"), das zur Bestimmung theoretisch verbürgter Optionspreise
unter besonderen Annahmen und Voraussetzungen, zumal dem Erfordernis
der Arbitragefreiheit, erschaffen wurde und
das getragen wird von den Arbeiten dreier
hervorragender Gelehrter: den Modell-Begründern
Fischer
Black und Myron Samuel Scholes, 1973,
sowie von einer fast gleichzeitig veröffentlichten, gesonderten Arbeit
Robert Cox Mertons'. Vorbedingung für die Schlüssigkeit und
Richtigkeit der modelltheoretischen Aussagen ist allerdings, dass, neben
anderem, der Kursverlauf des zugrunde liegenden Titels einer geometrischen
Brownschen Bewegung folgt, fernerhin die Volatilität sich im Ablaufe
der Optionsfrist nicht verändert und der Markt im Sinne der Theorie
vollkommen und vollständig ist und dass außer den gegebenen Größen keine
sonstigen Einflüsse auf den Preisverlauf wirksam werden.
[* Im tätigen
Umgang mit Optionen und außerhalb der engen Grenzen der Optionswertmodelle
kommen allerdings noch weitere Preiseinflussgrößen hinzu, deren Berechnung
sich entweder gewisse Schwierigkeiten entgegenstellen, oder diese in
ihrer Einwirkung auf den Preisbildungsfortgang nicht leicht zu durchblicken
verstanden werden. Neben Transaktionskosten und Steuern gibt es etwa
noch Margin-Erfordernisse für Short-Positionen,
aber auch Erwartungen
der Marktteilnehmer über die zukünftige Marktentwicklung ("sentiment"),
unterschiedliche Risikoneigungen sowie Marktunvollkommenheiten werden
im Verkehr Wirkung auf die Preisbildung von Optionen üben.]
Die bestimmt gegebenen Elemente, zu denen
auch der beobachtete, hier als sachgerecht und angemessen angenommene
Optionspreis zu rechnen ist, in die passende Modellformel eingesetzt
und iterativ nach der einzig unbekannten Größe, dem Ziffernansatz
für die erwartete Volatilität, aufgelöst, ergibt einen sachgerechten
Schätzwert für die voraussichtlich sich einstellende Volatilität, die
mit dem Namen der "Impliziten Volatilität" ("implied volatility",
"implicit volatility") belegt ist. Auf Letztere stellt die Optionspreisformel
des Modells in der Anwendung ab, um etwas über den wahren Wert der Option
und ihre Preiswürdigkeit im Handel in Erfahrung zu bringen. Die Implizite
Volatilität hat sich ihre Benennung mithin dadurch erworben, dass der
dem Marktgeschehen abgelesene Optionspreis eine getreue Ausmaßschätzung
für den tatsächlichen Grad der in die Optionsfrist fallenden Preisschwankungen
("future realized volatility") des zugrunde liegenden Gegenstandes
gleichsam enthält ("impliziert"), wie sie ihm die Optionswertformel
des Black-Scholes-Merton-Modells (oder bei amerikanischen Optionen oftmals
auch die des weniger mit Mathematik beladenen Binominalmodells) beilegt
und er in ihr zum Ausdruck kommt. Optionshändler schenken der Impliziten
Volatilität vorzügliche Beachtung, da sie ihnen einen Anhaltspunkt darüber
verschafft, ob eine betrachtete Option im Vergleich mit der erwarteten
sich nachher verwirklichenden Volatilität zu teuer, zu billig oder angemessen
bewertet wird. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Implizite
Volatilität alles andere als eine ein für alle Mal feststehende Größe
bietet, sondern sich gleichen Schrittes den laufend umschlagenden Marktgegebenheiten
unentwegt anpasst.
Doch nicht nur über die mutmaßlich sich
einstellende Volatilität und das damit verbundene künftige Kursschwankungsrisiko
(Vega, seltener auch Kappa oder Lambda) gibt eine
passende Optionspreisformel einigen Aufschluss. Zudem bringt sie nebenher
weitere viel beobachtete Risikomaße hervor, welche die verschiedenen
Seiten des mit einer eingenommenen Position in Optionen behafteten Risikos
zu beziffern geeignet sind: so vor allem die für jeden gut beschlagenen
Optionshändler höchst bedeutsamen Maße
Delta,
Gamma,
Theta und
Rho, die so benannten
"Griechen" ("Greek letters", "The Greeks"). Insgesamt
gesehen geben die Griechen Auskunft darüber, wie empfindlich der Optionspreis
und damit der Geldwert der bezogenen Position, oder sei es eine Optionskennzahl
selbst, reinrechnerisch auf kleinste Veränderungen einer der oben gegebenen
Wertbestimmungsgrößen anspricht, solange alle übrigen Einflusskräfte,
die in der Optionspreisformel Berücksichtigung finden, annahmegemäß
auf dem alten Stand bleiben. Jeder einzelne der griechischen Buchstaben
steht dabei stellvertretend für eine ganz bestimmte Ausprägung des mit
einem Optionsgeschäft verknüpften Risikos.
So ist allgemein bekannt, dass, wenn der
Preis des Underlyings hochgeht, der Optionspreis eines Calls ebenfalls
steigt und der eines Puts fällt. Gerade andersherum wird der Optionspreis
eines Calls fallen und der eines Puts anziehen, wenn der Preis des Underlyings
sinkt. Weiter weiß man, dass der Optionspreis eines Calls wie auch der
eines Puts sich erhöht, wenn die Volatilität zunimmt, und umgekehrt
dass der Optionspreis eines Calls ebenso wie der eines Puts niedergeht,
wenn die Volatilität abnimmt. Zudem wird der Optionspreis, ein paar
Seltenheiten ausgenommen, aller bestehenden Option entsprechend fallen,
sowie die Restlaufzeit um eine bestimmte Spanne Zeit abschmilzt, z.B.
um einen Tag. Aber auch eine Veränderung des maßgeblichen Zinses übt
einen zwar bescheidenen, aber immerhin spürbaren Einfluss auf die Höhe
der Optionsprämien aus.* Hebt sich der Zins, so wachsen die Prämien
der Calls an, die von Puts dagegen werden geringer.
[* Eine Ausnahmestellung
nehmen Optionen auf Futures ein, die ähnlich den Letzteren nach dem
Futures-style-Margen-Verfahren abgewickelt werden. Diese bleiben von
Zinsänderungen gänzlich unbeeinflusst. Bei diesem Verfahren ist die
Prämie ("total premium") entweder innerhalb der Laufzeit oder
seinerzeit bei Ausübung oder erst Verfall der Option zu bezahlen (Rückprämie,
Nachprämie).]
Nicht zu übersehen ist bei alledem, dass
die in der Finanzwirtschaft sonst höchst bedeutenden Vorteilsmaße der
für den Bezugsgegenstand erwarteten Rendite, wie auch der erwartete
Endwert der Option selbst, sowie die Risikovorlieben der Optionshändler
im Rahmen der modellmäßigen Optionspreisberechnung unter vorausgesetzter
Arbitragefreiheit überhaupt nichts auf sich haben (präferenzfreie Optionsbewertungstheorie,
Gleichgewichtsmodell).
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