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Abwicklung und Vollzug
der physischen Lieferung von Waren: das Andienungsverfahren von
Futures ("physical delivery", "settlement procedure")
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Futures auf Lieferung in Natur
("physical delivery futures") lassen sich auffassen als börsengehandelte
Verfügungsrechte, die in einer zukünftigen Gegenwart die gegenständliche
Erlangung resp. Unterbringung von ganz bestimmten Sachgütern oder Leistungen
zu sichern geeignet sind (börsliches Lieferungsgeschäft auf Termin,
"Kauf à terme"; "property-rights", "contingent claim").
Wo Welthandelswaren den unterliegenden Marktgegenstand eines lieferungsfähigen
Futures verkörpern ("Warenderivate"; "commodities"), sichern
sie dem Inhaber einer Long-Position in Kontrakten solcher Art die künftige
wahrhaftige Verfügungsmacht über ganz bestimmte Mengen an besitzbaren
naturalen Gattungsgütern von einheitlicher Beschaffenheit (Schluss "vertretbarer
Ware") zu einem vorab festgeschriebenen Preis.* Dem Inhaber einer
dem entsprechenden Short-Position sichern sie im Gegenzug einen bindenden
Verkaufspreis seiner Ware zum Lieferungstermin fest zu. Zur Herbeiführung
des Anschaffungsgeschäfts über die kontrahierte Ware zum Termin gemäß
den festgeschriebenen Bedingungen ist sonst nichts vonnöten als den
Kontrakt bis zu dessen Endfälligkeit durchzuhalten. Andererseits und
ebenso gut kann der Halter eines offenen Postens in Futures – gleichgültig,
ob "long" oder "short"
– wie von ihm beansprucht sich von dieser und der daran hängenden Übernahme-
bzw. Lieferungsverpflichtung aus dem Kontrakt mit leichter Mühe wieder
losmachen, indem er beizeiten während der Laufdauer noch vor Fristablauf
eine kompensierende Gegenposition hinzunimmt ("Gegengeschäft").
Mittels eines solchen Vorgangs der Neutralisation beider Kontrakte befreit
er sich abschließend und endgültig von derselben. Selbst wenn die Buchstaben
des Standardvertrags eines Futures die unbedingte Anforderung einer
Erfüllung durch physische Andienung, d.i.
Übergabe und Abnahme der Basisware in Natur unmissverständlich vertraglich
festlegen, bedeutet dies also keineswegs, dass eine gegenständliche
Lieferung derselben auch in der wirklichen Ausführung jedes Mal mit
unabweisbarer Notwendigkeit abschließend statthaben muss.
[* Der Erwerber
einer vertretbaren Warenpartie hat es damit ebenso wenig nötig, vorher
eine Probe derselben in Augenschein zu nehmen, als der Verkäufer diese
zur Schau zu stellen notwendig hat.]
Allein
vom Rechtsstandpunkt betrachtet, auf den der Standardvertrag fußt und
an den jeder Händler eines nach dessen Muster gefassten Futures-Kontrakts
gebunden ist, solange er ihn aufrecht hält, stellt der überwiegende
Teil derjenigen Futures, die auf marktgängige Ware lauten, auf das Erfordernis
ab, den ihm untergebenen Kaufgegenstand (Underlying) mit Eintritt des
Erfüllungstermins der Sache nach körperhaft zu beziehen bzw. zur Stelle
zu bringen. Der Abschluss von Futures der vorstehenden Gattung begründet
sonach zugleich eine Gewähr dafür, dass das in Frage stehende Kaufgut,
insofern ein solches Bedürfnis tatsächlich besteht, bei Fälligkeit auch
wahrhaftig zum Austausch gelangen kann und wird (Lieferungshandel).
Diese Sichtweise bringt der Sammelname unbedingte Terminkontraktgeschäfte,
in deren Kreis sich Futures ja nahtlos einreihen, deutlich zum Ausdruck.
Der eheste
Termin für eine gegenständliche Lieferung des Kaufgutes gegen einen
Futures-Kontrakt, mit dem sich die angesprochene Clearing-Organisation
(die stets für beide Teile eines Börsentermingeschäfts in der Ausführung
wie auch rechtlich jedes Mal die Stellung des unmittelbaren Vertragspartners
einnimmt) einverstanden erklären wird und so das Verfahren der Effektivlieferung
überhaupt erst ermöglicht, heißt
erster Benachrichtigungstag
(erster Ankündigungstag, "first notice day", "first intent
day", Notifikationstag). Der Käufer eines Futures, d.i.
der Inhaber einer Long-Futuresposition, der im fraglichen Markt am ersten
Ankündigungstag jetzt noch an seiner Verpflichtung festhält, muss sich
füglich von nun an auf eine Benachrichtigung des Clearinghauses, die
effektive Andienung von Gütern betreffend, einrichten. Die Zubringung
ihrerseits kann nach der Regel bereits am ersten Geschäftstag nach Lieferungsansage
(Kündigung, Ankündigung), d.i.
die Übermittlung der Notifikation an das Clearinghaus, ehestens aber
am ersten Lieferungstage ("first delivery day")*, in die
Wege geleitet werden. Der genaue Kalendertag, auf den ein Notifikationstag
jeweils fällt, wird von den Börsen für jeden einzelnen Futures-Markt
eindeutig festgelegt und rechtzeitig vorher allgemein publik gemacht.
Am Vortag des ersten Ankündigungstages hat der Verkäufer eines Futures
(der Inhaber der
Short-Futuresposition) für gewöhnlich die erstmalige Gelegenheit
zur Bekanntgabe seiner Lieferabsicht gegen einen gehaltenen offenen
Short-Futureskontrakt (Lieferanzeige; "position day"). Analog
dazu haben Verkäufer von Futures am Vortag des letzten Benachrichtigungstages
(letzter Ankündigungstag, "last notice day") letztmals die Gelegenheit,
gegenüber dem Clearinghaus ihre Lieferabsicht zu bekunden.
[* Hinweis: Der
Andienungsprozess ("delivery procedure") verläuft an den verschiedenen
Terminbörsen bzw. Futuresmärkten nicht immer einheitlich und kann insbesondere
bei lieferbaren Finanzinstrumenten
("financial
futures") hiervon abweichenden Regelungen unterliegen.]
Die zu
treffende Wahl des innerhalb der bezeichneten Andienungsfrist liegenden
genauen Termins für die beabsichtigte Lieferung in einen Commodity-Futures
("delivery period"; diese schließt sich gewöhnlich nahtlos an
den ersten Benachrichtigungstag an) fällt – was gegebenenfalls ebenso
für die Wahl des Lieferungsortes bzw. der zu liefernden dinglichen Qualität
zutrifft, darin sind die meisten Börsenregeln einmütig – grundsätzlich
dem Verkäufer des nämlichen Futures zu (Short; "in Verkäufers
Wahl"); er ist es, der den Andienungsvorgang durch seine Ankündigung
auslöst und der für die rechtmäßige Zubringung zu sorgen hat. Der Inhaber
einer Long-Futuresposition (der Käufer des Futures) hinwieder
hat in diesem Fall kein Anrecht, die Lieferung entsprechender Güter
zu einem ihm genehmen Zeitpunkt und/oder Andienungsort zu verlangen.
Er muss sich die Belieferung nach Anweisung des Verkäufers gefallen
lassen. Wird hingegen eine Belieferung beziehungsweise Übernahme und
Bezahlung von Gütern unter keinen Umständen gewünscht, so ist der gegenwärtige
Inhaber einer Nettokaufposition in andienungsfähigen Futures (Long)
wohlberaten, diese bis spätestens kurz vor dem ersten Ankündigungstag
glattzustellen.* Der jeweilige genaue Termin ("close-out deadline")
hierfür ist aus Gründen der Zweckmäßigkeit im betreffenden Einzelfall
beim einbezogenen Handelshaus oder gleich bei der Börse zu erfragen.
[* Randbemerkung:
Dem Halter der Long-Position steht jedoch für gewöhnlich nach dem ersten
Ankündigungstag die Möglichkeit des Wiederangebots ("retender")
offen. Die nahezu sprichwörtlichen 10 Tonnen Kakao im Vorgarten erweisen
sich damit letztlich auch als Ammenmärchen, wie im Weiteren noch genauer
zu sehen sein wird.]

Die
Derivatebörsen legen in ihrer Börsenordnung zusammen mit der Verzeichnung
der Terminkontraktspezifikationen
("contract specifications", "contract terms") für ihre
zum Handel bereitstehenden Erzeugnisse nicht nur den "first notice day"
und den "last notice day" für jeden einzelnen
Termin derselben mit
Genauigkeit fest, sondern bestimmen zugleich auch ihren jeweils ersten
und letzten möglichen Liefertermin: Beim
Sojabohnen-Futures ("soybeans") der Chicagoer Terminbörse
CBOT, eine Abteilung der
CME Group,
wäre z.B. demnach eine Sojabohnen-Lieferung
frühestens am 1. Geschäftstag im fälligen Kontrakt-Terminmonat möglich,
wobei hier der erste Ankündigungstag ("first notice day") einen
Geschäftstag vorher liegt. Der letzte Liefertag dagegen datiert hier
auf den zweiten Geschäftstag nach dem letzten Handelstag im fälligen
Termin.
Aufmerksame
Mitarbeiter eines Brokerhauses ("futures commission merchant"
FCM) werden sowohl im eigenen als auch im Kundeninteresse auf offene
Positionen seiner Handel treibenden Kunden Acht geben. Mit Herannahen
des "first notice day" wird der Broker seiner Sorgfaltspflicht nachkommen,
indem er die betreffenden Inhaber von Long-Positionen* routinemäßig
auf die Möglichkeit einer körperlichen Andienung von Gütern und die
damit verknüpften Pflichten hinweist. Zudem wird das Haus in Erfahrung
bringen wollen, ob zur fraglichen Zeit ausreichend Geldmittel in Höhe
des nämlichen Kontraktgegenwertes
als Deckung erforderlichenfalls zur Hand sind.**
[* Der Inhaber
einer Short-Position als Verkäufer von Futures kann selbstverständlich
niemals Waren physisch angedient bekommen.]
[** Ordentlicherweise
wird der Broker bei dieser Gelegenheit zudem darauf hinweisen, dass
nach dem ersten Ankündigungstag etwaige bestehende administrative
maximal zulässige Kursbewegungen
in diesem Markt fallengelassen werden.]
Sofern
es denn im Plan des Verkäufers des Futures (also dem Halter der offenen
Short-Position) liegt, die dem Kontrakt unterworfene Wertgesamtheit
an Waren zur physischen Lieferung hinzugeben, so teilt er dies seinem
Handelshaus längstens einen Werktag vor der geplanten Überlieferung,
frühestens jedoch kurze Zeit vor dem "first notice day", mit. Je nach
Futures-Markt (wie z.B. im
Silber-Futures-Markt)
wird der Notifikationstag mitunter nicht nur zum Stichtag für alle offene
Short-Positionen, der
Clearingstelle
der Terminbörse mitzuteilen, ob eine effektive Andienung von Waren
abschließend und endgültig bezweckt wird, sondern auch für alle Halter
von offenen Long- Positionen. In jedem Falle aber wird der Broker
sich nach der genauen Art, Menge und Beschaffenheit, und im Falle mehrerer
möglicher Erfüllungsorte ("alternate delivery points") auch nach
dem erwünschten Ort, der zu liefernden Ware erkundigen und daraufhin
umgehend (meist noch am selben Tage) einen entsprechend ausgestellten
Ankündigungsschein (Kündigungsschein, "notice of intention to deliver",
"delivery notice", "declaration of tender", "filière")
– d.i. eine verbindliche Absichtserklärung
zur gegenständlichen Lieferung – bei der zuständigen Clearingstelle
der Terminbörse einhändigen.
Während
die Edelmetalle, Devisen und viele Finanztitel in höchst gleichmäßiger
Güte und Beschaffenheit daherkommen und nicht weiter untergliedert zu
werden brauchen, gibt es bei den einzelnen Welthandelswaren für gewöhnlich
eine ganze Fülle verschiedener Sorten. Den natürlichen Güteunterschieden
der Waren tragen die Terminbörsen bei der Abfassung der Kontrakte in
ihren Regeln ausdrücklich Rechnung durch Anwendung entsprechender Preiszuschlags-
und Preisabschlagsberechnungen mit Rücksicht auf das Mustersorte (Normalmuster,
Type). Die Zulässigkeit wahlweise lieferbarer Qualitäten von Waren ("deliverable
grade") dient im wohlverstandenen Sinne einer ordentlichen und störungsfreien
Abwicklung des Andienungsverlaufs zum guten Teil der Ausweitung der
Angebotsmenge an einer in Rede stehenden Warengattung. Sofern an einer
Warenbörse abdingbare Normativbestimmungen ("allowances") für
bezeichnete Warenlieferungen in Geltung stehen, muss im Falle der Andienung
einer gegenüber der Standardqualität*
(= "par grade", "basis
grade") abweichenden Sorte ("quality differentials") der
Rechnungspreis der Lieferung mittels passender Korrekturfaktoren gegenüber
dem börsenseitig festgestellten Liquidationskurs ("final settlement
price") der Standardware abgeglichen werden. Die an Güte überlegenen
Waren erheben demgemäß einen Aufschlag im Preisansatz auf "par grade",
die an Güte nachstehenden einen entsprechenden Abschlag. Die von den
Terminbörsen zu jeder einzelnen Warengattung geschickten Berichtigungsfaktoren
werden regelmäßig auf deren Seiten im Netz öffentlich bekannt gemacht
und sind von dort aus jederzeit abrufbar (vgl. hiezu beispielsweise
mit Rücksicht auf die abgestuften Qualitätsmerkmale die Kontraktspezifikationen
des am CBOT der CME Group notierten
Hafer-Futures
("oats")). Sind darüber hinaus in den börslichen Bestimmungen
auch mehrere zur Wahl stehende Leistungsorte festgesetzt ("location
differentials", "territorial differentials"), gilt ein Gleiches
sinngemäß in Bezug auf den vom Verkäufer des Futures ("short")
gewählten Ort seiner Lieferung. Dieser kann mitunter fern vom Sitz der
Börse gelegen sein und darum für den Käufer ("long") nicht immer
bequem und günstig erreichbar sein. Im Allgemeinen wird der Rechnungspreis
für eine Ware umso höher anschlagen, je weiter der Lieferungsort vom
Hauptumschlagsplatz entfernt liegt. Zudem wird von den Börsen je nach
den Bringungsverhältnissen für fremde bzw. weitab entlegene Lieferpunkte
ein, mitunter recht üppiger, Frachtkostenausgleich erhoben.
[* Wird die Höhe
des Aufpreises bzw. Preisabschlages bei abweichenden Gütegraden bereits
im Standardvertrag eines Futures aufgenommen, spricht man von einem
"fixed delivery system"; werden diese hingegen zwischen einander
persönlich ausgehandelt, so liegt ein sog. "commercial grade system"
vor.]
Unmittelbar
nach Anmeldung einer Absichtserklärung zur Andienung des Basiswertes
("underlying asset") eines Futures (Kündigung, Lieferanweisung)
wird die Clearingstelle der betreffenden Terminbörse zunächst ihr Verzeichnis
über sämtliche der bis zu diesem Zeitpunkt geführten, jetzt noch offenen
Long- und Short-Positionen im nunmehr auslaufenden Kontraktmonat bis
auf diesen Schluss hinab fortschreiben und nach einem bestimmten Schlüssel
dem betreffenden Long-Kontrakt einen Short-Kontrakt zuweisen und umgekehrt.
Bei allen am Ende sonst noch ausstehenden Kontrakten wird sie in aller
Regel den Inhaber des ältesten noch ausstehenden Long-Futures-Kontrakts
im fälligen Monatstermin zuerst anhalten, den Kauf der Ware der Sache
nach vorzunehmen (FIFO-Prinzip)*. Anschließend werden
die beiden nächstältesten Kontrakte zusammengeführt usf. Dieser Vorgang,
den man Zuteilung nennt, wird
mit Präsentation einer jeden neuen Lieferanweisung nach der vorgenannten
Verfahrensweise solange fortgesetzt, bis die Gesamtheit der schwebenden,
noch nicht durch ein Gegengeschäft aufgehobenen Long- und Short-Positionen
endlich einander zugeordnet werden konnten ("allocated positions";
"allocation process", "matching", "assignment").
Im Anschluss an eine jede Zuweisung werden die betreffenden "clearing
member firms", und durch sie ferner die einzelnen
Brokerhäuser der beteiligten Parteien, darüber
unterrichtet, wann, wo und an wen genau die jeweilige Lieferung zu erfolgen
hat. Die Belieferung mit dem Handelsgegenstand selbst ist hiernach i.
d. R. am nächsten oder übernächsten Werktage einzuleiten. Alle
Erklärungen zur Lieferabsicht gelten als verbindlich. Bei Nichteinhaltung
der zuvor bekundeten Lieferabsicht durch einzelne Beteiligte drohen
empfindliche Konventionalstrafen.
[* Neben dem FIFO-Prinzip
wird zuweilen auch zum Teil abweichend hiervon auf ein Nettopositions-
bzw. Zufallsverfahren zurückgegriffen. Der maßgebliche Termin hierfür
ist der sog. "first position day". Dieser ist meistens
der zweite Geschäftstag vor dem ersten Geschäftstag des Liefermonats.
Der "first position day" geht je nach Börsenordnung dem Beginn eines
Andienungsprozesses ein oder zwei Tage voraus und dient insbesondere
seiner Vorbereitung.]
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Settlement - Die Erfüllung von Futures-Kontrakten:
Versendung, Übergabe, Bezahlung und alternative Lieferverfahren

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